Freitag der Dreizehnte - Mein Corona-Tagebuch, Teil 1

Ich habe das hier aufgeschrieben, weil ich es nicht vergessen möchte.

Kann Spuren von Polemik enthalten.

Symbolbild Coronavirus. Grafik: thenounproject.com

Symbolbild Coronavirus. Grafik: thenounproject.com

 

Freitag, 13. März 2020

Dies ist definitiv kein „Ich weiß genau, wo ich an dem Tag gewesen bin!“-Moment, wie 2001, als die Flugzeuge ins World Trade Center flogen.  Oder wie an dem Tag als Michael Jackson starb. Dazu ist der Prozess zu schleichend.

Es ist aber auch ganz sicher kein „Haha, der Vater von XY hat sich doch ernsthaft mit tonnenweise Medikamenten gegen die Vogelgrippe eingedeckt!“-Ereignis. Wie hieß der Virus damals noch? N151? Oder verwechsle ich da was?

CoViD19 wird mit Sicherheit niemand verwechseln, weil die Auswirkungen auf unser aller Leben sich doch eher in Richtung Hollywood-Katastrophenfilm entwickeln. Zumindest fühlt es sich so an. Jemand sagte heute beim Abschied: "Das fühlt sich an wie Sience Fiction." Und das liegt daran, dass wir eine Art Ausnahmezustand haben. Kein Mensch weiß, wie wir damit umgehen sollen, weil das Ganze eine unbekannte Größe ist.

Im Februar fühlte es sich noch so an:

  • „Oh, in China ist anscheinend ein größerer Sack Reis umgefallen. Guck mal, die bauen dafür sogar direkt ein neues Krankenhaus! Ist das nicht übertrieben? Aber irre, wie schnell die das gebaut haben! Eine Woche! (oder so, weiß ich nicht mehr genau) Davon könnte sich Deutschland echt mal ne Scheibe abschneiden. BER und so, haha.“
  • "In einem Fischmarkt soll es ausgebrochen sein, aha. Wie gut, dass wir sowieso keinen Fisch essen.“
  • „Schon abartig, dass alle jetzt Angst vor den Asiaten haben. So ansteckend wird das ja wohl nicht sein. Lasst die Leute doch in Ruhe.“ Bereits damals habe ich am Flufhafen Zürich gesehen, wie viele Leute ganz schnell auf Abstand gingen, wenn irgendwo eine Gruppe Asiaten entlang lief. 

Dann hab ich einen Moment mal nicht aufgepasst und plötzlich war der Virus in Italien sehr verbreitet. Immer noch relativ weit weg, sieht man mal davon ab, dass mein Liebster in der Schweiz arbeitet und normalerweise am Wochenende zu uns nach Berlin pendelt.

Ich bin kein Fan vom Nachrichtengucken, weil ich durch Klimawandel & Co und einige private Baustellen schon bedient genug bin. Soll heißen - ich beschäftige mich nicht gerne mit NOCH MEHR unangenehmen Dingen. Das Leben ist echt kompliziert genug, da brauche ich nicht noch jeden Abend die Tagesschau. Aber ich habe ja meine familieninternen Nachrichten, aka Kind 3, der täglich die neuesten Coronaviren-Updates verkündet, ob ich das nun hören will oder nicht.

Anfang März war ich auch noch von der Fraktion: „Chillt mal alle, wir haben in jedem Jahr die Grippe, die ist viel schlimmer.“ Ich hatte die echte Grippe 1969 und bin seitdem offenbar immun oder hatte Glück oder was weiß ich.

Anfang März war ich aber auch noch verdammt uninformiert, wie wir vermutlich alle (oder die meisten). Im Laufe weniger Tage habe ich dann auch endlich begriffen, dass das Problem darin liegt, dass zu viele Menschen gleichzeitig die Krankenhäuser blockieren werden (wie in Italien Realität), weil gegen diesen CoViD19 eben noch kein Mensch immun ist. Wie auch, wenn es den vorher nicht gab? #flattenthecurve heißt der Hashtag dazu.

Vor einigen Tagen hat ein Kumpel von uns, Musiker, noch ein Lied geschrieben, das „Corona, Corona“ heißt, und das ihr hier anhören könnt:

Ich hab drüber geschmunzelt. Werde ich das in drei Wochen auch noch tun oder ist es dann ein zeithistorisches Dokument?

Einen Kilometer von hier wurde vor zwei Tagen ein Coronafall in einem Reiterhof gemeldet. Uns bekannte Kinder waren vor einiger Zeit dort.

Heute ist der 13. März und ich bin immer noch relativ entspannt (einfach, weil das meine Art ist mit Dingen umzugehen, weil nämlich die Alternative einfach Panik wäre und das will ich mir nicht geben). 

Allerdings hat mich Kind 4 darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht nur der 13. März ist, sondern FREITAG, der 13. Nicht, dass ich an sowas jemals ernsthaft geglaubt habe, aber was hier heute noch an Mist im Briefkasten lag (1. Betrugspost im Zuge meiner Markenameldung -> dank meiner Freundin, die es ans DPMA weitergeleitet hat, wird ganz aktuell auf der DPMA-Seite davor gewarnt. 2. Eine Exmatrikulierung, weil ich durch einen Zahlendreher DREI (!!!) CENT zu wenig überwiesen habe und jetzt nur noch den Klageweg beschreiten kann, kotz.) passt zusätzlich ganz prächtig dazu.

Gestern (Donnerstag, 12. März) habe ich der Pressekonferenz der Kultusminister gelauscht und mich gefragt, weshalb die nicht mal Tacheles reden. Ich wollte nur hören: „Ja, die Schulen müssen schließen.“ In Italien hat man mit all diesen Maßnahmen zu lange gewartet und ich wollte einfach nicht glauben, dass der kleine Vorsprung, den wir hier in Deutschland noch haben, einfach so vertrödelt wird.
Deshalb war ich auf der einen Seite sehr froh, als in Berlin heute offiziell Schulschließungen bekannt gegeben wurden. Guter Plan um die Ausbreitung zu verlangsamen (von verhindern spricht ja niemand, das wird wohl eher nix). Auf der anderen Seite tut es mir wahnsinnig leid für Kind 4. Sie steckt mitten im Abi und hatte sich so auf die (von ihr organisierte) Mottowoche ab Montag gefreut. Und sie hat keinen blassen Schimmer, wie das mit dem Abitur nun alles weitergehen soll. Weil: Nichts Genaues weiß man nicht, wie man ja so sagt.

Und was das alles für Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird weiß auch niemand. Oder doch: Keine guten. Was soll das auch geben, wenn jetzt im Prinzip für 5 Wochen keine Betreuung mehr für den Nachwuchs garantiert ist? Oma und Opa fallen weg, die darf man ja nicht gefährden. Oh, Moment - ich bin ja Oma und mein Mann ist Opa und wir leben mit unserem Enkelkind zusammen. Drei-Generationen-Haus.

Und dann die Hamster: Ich musste in der letzten Woche ernsthaft Toilettenpapier bei Amazon kaufen, weil hier alles weggekauft war. Das Paket kam an, schön einsehbar, was drin war (und natürlich war das nicht nur eine Packung, das wäre ein bisschen schwierig und extrateuer gewesen). Der Paketbote fand das lustig und meinte, wir seien an dem Tag nicht die einzigen gewesen.

Vorhin der Wochenend-Einkauf war auch nicht gerade erquicklich. Ich drücke mich ja sonst immer vor dem Einkaufen. Weil ich ein Höhlentierchen bin. Weil ich einkaufen HASSE. Weil ich es für Verschwendung von Lebenszeit erachte und weil ich ein Misantroph bin (so, jetzt habe ich es endlich mal laut gesagt). Da aber sonst niemand einkaufbereit ist, war ich in dieser Woche schon dreimal … Und heute in zwei Läden, weil sie in einem nicht alles hatten (in dem anderen auch nicht …)

Diese Blicke! Klar, mein Einkaufswagen war voll bis obenhin. und zwar aus zwei Gründen: A) Großfamilie B) Wochenende. Normalerweise geht der Liebste immer samstags, aber da nicht mal sicher ist, ob er überhaupt herfliegen kann, habe ich das eben erledigt. Denn wenn ich den Einkauf schon als meine persönliche Höchststrafe betrachte, dann ist der Einkauf am Samstag eigentlich nicht mehr mit Worten zu beschreiben.

(UPDATE: Allerdings ist das nichts gegen eine Situation, die uns von woanders videomäßig zugetragen wurde: Ein Mann hat sich beinahe mit einer Supermarktangestellten geprügelt, weil sie ihm nur EINE Packung Klopapier verkaufen wollte und nicht den ganzen mit Toiletenpapier vollgestopften Wagen ... Nuff said.

Sonntag, 15. März 2020

Das oben vor dem Update hatte ich Freitagnachmittag geschrieben.

Ein wenig später teilte mir der Liebste mit, dass er seinen Heimflug verfallen lässt, weil nicht sicher ist, ob er am Sonntagabend überhaupt noch zurück nach Zürich fliegen kann. Als Führungskraft kann er schlecht alles aus dem Homeoffice regeln, zumal es hier selten ruhig ist. V.a. jetzt nach dem #Shutdown nicht.

Fun Fact: Ursprünglich wollte mein Mann an diesem Wochenende ohnehin nicht nach Berlin fliegen, weil er Hertha in Hoffenheim spielen sehen wollte. Dann fiel uns auf, dass er zu Weihnachten von Kind 3 Karten für Tutty Tran geschenkt bekam. Keiner hatte mehr bedacht, dass die Veranstaltung am Freitag sein sollte. Also hatte er Anfang der Woche einen Flug gebucht, der am Freitag um 18:00 Uhr landen sollte. Das hätte gerade so gepasst. Und da das Herthaspiel sowieso vor leeren Rängen stattfinden sollte (inzwischen findet ja eh gar nichts mehr statt), war dieser Grund sowieso weg. 

Am Freitagvormittag hatte ich noch im Potsdamer Lindenpark angerufen, ob die Tutty-Tran-Veranstaltung stattfindet. Alle waren bereit dazu, waren aber mangels Vorgaben total unsicher. Ein paar Stunden später gab Tutty in seiner Insta-Story bekannt, dass er doch nicht auftreten würde. In Berlin wurde es auch immer stürmischer, also haben der Liebste und ich gemeinsam entschieden, dass er besser nicht herkommt. Kurz: Ein wegen einer dann abgesagten Veranstaltung völlig sinnlos gebuchter Flug. Kann passieren.

Wenig später, dann die überfällige Meldung, dass die Schulen und Kitas schließen. Der Rückflug (der sich eh erledigt hatte) wurde von Sonntagabend auf Montagvormittag verlegt.

Längst checke auch ich täglich mehrmals Google News, um zu sehen, welche neuen Entwicklungen sich ergeben haben, und was wir tun oder nicht tun können. Als ich las, dass in Italien innerhalb von 24 Stunden 250 Tote dazu gekommen sind, war es dann aber auch mit meiner entspannten Haltung vorbei.

Am Samstag dann die Meldung, dass Berlin den kompletten Shutdown beschlossen hat. Pech für die uneinsichtigen Partypeople, aber genau deshalb eben so bitter nötig. Anscheinend hat der Herr Müller (von dem ich während seiner bisherigen Amtszeit ohnehin nicht viel Aktion mitbekommen habe) es langsam satt gehabt, dass ihm alle Untätigkeit vorwerfen. 

Ich habe dann mal den vermeintlich gestorbenen Farblaserdrucker wiederbelebt (das hätte ich sonst vermutlich nicht getan), um Kind 4 einen Besuch im Copyshop zu ersparen (Farbausdrucke für die 5. PK, die sie am Montag abgeben muss). Hatte zwar reichlich mit der bockigen Technik zu kämpfen, aber das war es mir wert.

Umdenken

Ich habe mit den Shutdown-Maßnahmen als Höhlentierchen naturgemäß kein Problem. Klar gehe ich gerne mal tanzen, kann das aber auch ebenso gut zu Hause zu tun. Und mit Freunden was trinken gehen? Da muss man nur erfinderisch sein. Meine liebe Kollegin und Textine Christa Goede hat uns einfach am Samstagabend zur 1. Zoom-Kneipe eingeladen:

1. Zoom-Kneipe. Foto: Christa Goede 2020

Foto: Christa Goede 2020

Man kann auch online Spaß haben und Zoom ist ohnehin eines meiner liebsten Tools. Läuft viel stabiler als Skype und man kann selbst in der Gratisversion mit mehreren Menschen gleichzeitig kommunizieren, den eigenen Bildschirm teilen, etc. Wir werden alle umdenken müssen und viel mehr online machen. Es gibt noch dermaßen viele Leute da draußen, die diese Möglichkeiten überhaupt nicht kennen, weil "das Internet" für sie nur Ebay oder Amazon ist. Ja, immer noch. Es wissen auch immer noch nicht alle von der Existenz von Blogs ... 

Dabei bietet es so viele Chancen, auch zum Lernen. Diverse Lernplattformen bieten ihre kostenpflichtigen Angebote jetzt bis Mitte April gratis an. Und wenn ich an Australien denke: Da gibt es schon lange Schüler, die online den Präsenzklassen zugeschaltet sind, weil sie irgendwo im Outback leben und keine Schule in der Nähe haben. Wenn James Blunt ein Konzert in der leeren Elphi geben kann, das in die Wohnzimmer gestreamt wird (beste Stelle: "The next song is a quiet one. Please don't clap your hands!"), können Lehrer auch Unterricht im leeren Klassenraum (oder aus ihrem Quarantäne-Wohnzimmer) halten, der für die Schüler gestreamt wird. Es gibt ungeahnte Möglichkeiten - wir alle müssen nur lernen sie zu nutzen. Damit wir beim nächsten Ausnahmezustand SOFORT vorbereitet sind.

Diese Situation git die Chance zur Entschleunigung. Ich habe mich heute erstmals seit Ewigkeiten mit einem Buch in die Badewanne gelegt. Sonst fühle ich mich immer viel zu gehetzt zum Baden und dusche lieber. Aber heute dachte ich, scheiß drauf. Hier steht das Leben sowieso still. Wen juckt es, ob ich ne Viertelstunde später am Rechner sitze?

Wir waren alle seit Freitagnachmittag nicht mehr vor der Tür. Kind 4 muss wegen wichtiger Abi-Infos und Technikprobe für die 5. PK leider morgen nochmal raus und steckt sich hoffentlich nirgends an. Aber danach ist hier 5 Wochen einigeln angesagt. Ich hoffe nur, dass der Liebste zwischendrin die Chance hat, wieder herzukommen, weil wir so lange seit 37 Jahren noch nie getrennt waren.

15: 30 Uhr:

Deutschland schließt die Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz. Das überrascht mich überhaupt nicht. Für Berufspendler wie meinen Mann soll es Ausnahmen geben - aber wie lange noch? Ich sehe das alles vollkommen ein, aber so eine Trennung ist gerade in Krisenzeiten echt belastend.

Schaun mer mal, wie es weitergeht. Es scheint ja genügend Leute zu geben, die soziale Kontakte so sehr vermissen, dass sie sich trotzdem egoistisch zuhauf mit anderen treffen. Dabei ist das doch die Chance zu lernen, es mal mit sich selbst auszuhalten. Denkt mal drüber nach.

Liebe Grüße, bleibt gesund und passt auf euch auf!

Petra

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