U + E = Ü

Donnerstag, 22. November 2007

Seit Anfang der 80er Jahre lesen wir das Stadtmagazin -> ZITTY. Okay, es gab eine mehrjährige Pause, offenbar verursacht durch die Kinder und die damit einhergehende drohende geistige Vervorstädterung, auch kurz Muttiisierung genannt. Aber diese Phase ist zum Glück überwunden.

Die ZITTY hat sich seit damals inhaltlich als recht konstant erwiesen. Der Fil-Comic darf natürlich auf keinen Fall fehlen! Und damals wie heute gilt: Reinickendorf findet nicht statt. Überhaupt weiß ich, dank eifriger Lektüre, dass Berlin aus den Bezirken Mitte, Prenzlberg, Kreuzberg, Schöneberg und Charlottenburg besteht. Gelegentlich dürfen auch Steglitz, Pankow und Neukölln mitspielen. Süd-Mitte-lastig würde ich es nennen. Dort wo ‚die Szene' wohnt, eben.

Reinickendorf ist vielleicht kulturell wirklich nicht so der Hit, aber wenn niemand von der Existenz dieses Bezirks erfährt, wie soll denn hier auch was los sein? Ich bin hier geboren, also gilt es eine gewisse Loyalität zu wahren, auch wenn ich von Zeit zu Zeit denke, ein Leben als ketterauchender Single in Prenzlberg müsste echt erstrebenswert sein.

Man stelle sich das einmal vor:
Aufstehen, wenn man ausgeschlafen ist, mit geschlossenen Augen nach dem Notebook greifen, mit dem man das Bett teilt, weil sonst ja niemand da ist (siehe: Single). Hochgeistige Ergüsse in die Tasten fließen lassen, noch bevor die erste Zigarette den Weg zur Lunge geteert hat. Dann Frühstück, bestehend aus Latte Macchiato und Glimmstängel (nie wieder Gewichtsprobleme, juchhu!), gefolgt von weiterer Arbeit. Einkaufen nur, wenn außer dem Coolpack nichts mehr im Kühlschrank ist. Und abends abhängen mit anderen Singlefreunden in den angesagten Kneipen und Clubs in denen man sich den Stoff für weitere literarische Betrachtungen holt. Anschließend schlechter Schlaf, weil über einem der Alkoholiker seine Frau mit Mobiliar bewirft – halt! Genug der Klischees! Spätestens an dieser Stelle bin ich froh, dass sich hier Katze und Wildschwein gute Nacht sagen, denn Mietwohnungsnachbarkompatibel bin ich mit Sicherheit nicht.
Aber vielleicht ist das der Fehler. Da überall, und gerade in der ZITTY, noch immer der völlig überflüssige Unterschied zwischen E- und U-Literatur zelebriert wird, werde ich in meiner beschaulichen Ecke wohl nie zum gequälten Literaten aufsteigen: Eine „Autorenkarte" ziert die aktuelle Ausgabe meines Stadtmagazins, aber Krimigrößen wie Horst Bosetzky (manchen besser als –ky bekannt), suche ich dort vergeblich. Ein Außenstehender könnte tatsächlich glauben, es gäbe in dieser Stadt tatsächlich nur acht Autoren (plus 24 Kleingedruckte), und die wohnen alle dort, wo die Szene tobt.

Mag sein, dass der Platz nicht ausreicht, für alle veröffentlichten Autoren. Das ist absolut ein Argument, da es davon in dieser Stadt (auch außerhalb der o.g. Bezirke) sehr viele gibt. Aber dann sollte das klar gekennzeichnet sein. In der Form, in der es in dieser Ausgabe dargestellt wird, hat es den faden Beigeschmack einer verfälschten Statistik.

Schade, schade, schade, dass offenbar auch meine Lieblingsberlinlektüre auf der strikten Trennung von E- und U-Literatur herumreitet, obwohl es die Chance gäbe, damit in den Köpfen der Leser mal aufzuräumen. Dass Genreliteratur (im übrigen auch Kinder- und Jugendliteratur) ebenfalls Literatur ist und ebensoviel handwerkliches Können erfordert, wie die sog. „hohe Literatur", geht leider in viele deutsche Betonköpfe nicht hinein. Ich betone „deutsch", weil es diese merkwürdige Unterscheidung in den meisten anderen Ländern nicht gibt. Aber darob ist schon viel gejammert worden, und eine einzelne Autorin wird den Beton auch nicht aufmeißeln können. Solche Veränderungen können nur viele Mauerspechte hervorrufen.

So werde ich mich denn wieder dem Notebook in meinem Dachkämmerlein zuwenden, und verheiratet, kinderreich, sowie nichtrauchend und (weitestgehend) nachbarlos, Bücher publizieren, die den Leser Unterhalten. Üm Ernst.

# Petra A. Bauer am 22. November 2007 um 10:06 Uhr
AUTORINBERLIN


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Petra A. Bauer, Berlin - www.writingwoman.de